DER MANN MIT DER GOLDENEN AUGENBRAUE
SIE IST SEINE WAFFE. ALLZEITBEREIT SEINE GEGNER SELBST IN DEN LETZTEN MINUTEN DER SPIELZEIT AUF KOMMANDO ZU DEMONTIEREN. CARLO ANCELOTTI MUSS SEINE AUGENBRAUE NUR HEBEN, SCHON FLIEGEN SEINE SCHÜTZLINGE ÜBER DEN PLATZ UND TREFFEN DAS TOR. ZUMINDEST LIEF ES BIS JETZT IMMER SO…
“Don Carlo”.
Ein extrem markanter Name für den Fußballlehrer aus Reggiolo, einer Kleinstadt aus dem Norden Italiens. Etwas über Neun Tausend Einwohner nennen die kleine Gemeinde in der Emilia-Romagna derzeit ihr Zuhause. Sie ist eigentlich recht süß, irgendwie typisch italienisch und zieht sich mit ihrem Marktplatz und der “Rocca di Reggiolo”, der lokalen Festung, entlang einer einspurigen Straße. Keine Stadt für einen Mann von Weltkaliber wie es Carlo Ancelotti ist, möchte man zumindest glauben. Reggiolo liegt südlich des Po’s, Italiens längstem Fluss. Die nächstgrößten Städte sind Modena und Parma, beide etwa 40 Kilometer entfernt.
Entschuldigt diese etwas ausgezogene Erklärung der benachbarten Umgebung, aber sie ermöglichen ein grundlegenderes Verständnis für den Verlauf der Spielerkarriere des jungen Ancelotti. Don Carlo durchlief seine Jugendzeit nämlich in genau jenem Ablauf, nur dass er auf seinem Weg in Richtung Parma abbog und Modena wortwörtlich links liegen ließ (Pun Intended).
Der Durchbruch zu den Profis, gelang ihm bei selbigem AC Parma. Der erste von drei Vereinen, bei denen er über die Spanne von 16 Jahren seine Profikarriere ausleben sollte. Nach drei Jahren und seiner ersten Nominierung für die italienische Nationalmannschaft bei den Olympischen Spielen 1979, trieb es Ihn aus Parma in die italienische Hauptstadt, nach Rom. Hier begann Carlo Ancelotti seine unaufhaltsame Jagd nach Titeln und schnappte sich in acht Jahren “Giallo-Rosso” (Gelb-Rot) vier Coppe Italia und seine allererste Meisterschaft. Beachtlich für den Mittelfeldstrategen, der in Parma noch Serie C (dritthöchste ital. Spielklasse) gespielt hatte, und nun in Rom nicht nur zum Stammspieler, sondern im Anschluss auch noch zum Kapitän gereift war.
Auch nach seinem letzten Wechsel, bei dem er Rom verließ, um für seine letzten vier Jahre in der Stadt des Glamours aufzuschlagen, wusste Ancelotti wie es läuft. Als Teil der “Immortali” (Die Unsterblichen), holte er sich gemeinsam mit Franco Baresi, Marco Van Basten und Paolo Maldini (nur um ein paar Namen zu nennen, denn das Milan von damals war eine andere Welt), nicht eine, sondern gleich zwei Europapokale der Landesmeister. Das entsprach damals der heutigen Champions League. Mailand war der Vibe und zu der Zeit die Spitze des Fußballs. Das wusste auch “Il Mister”, der im Anschluss darauf seine aktive Karriere beendete.
Don Carlo dachte aber noch lange nicht ans aufhören, geschweige denn an eine Pause. Carlo Ancelotti zog sich nämlich nicht aus dem Sport zurück, um ein bisschen Abstand zu nehmen oder sich ein wenig Zeit mit der Familie zu genehmigen. Der Mann hatte nur eine Sache im Kopf und das war Fußball. Er hatte sicher noch nicht ausgedient.
Nach seinem Karriereende 1992 auf dem Feld, schwang sich Ancelotti also sofort an die Seitenlinie der italienischen Nationalmannschaft. Wenn auch zuerst nur als Co-Trainer. Aber Hey, ich finde wenn man gerade erst seine Karriere beendet hat, ist so ein Schritt in die “Squadra Azzurra” sicher keine schlechte Idee. Vor allem um auch Jungs wie Cannavaro oder Filippo Inzaghi bei ihren ersten Erfahrungen zu begleiten. Kann man sicherlich so machen.
Die restliche Laufbahn des Mannes, dessen Augenbraue mit jedem Titel an Gewicht zunahm, ist so ikonisch wie sein Foto auf dem Meisterbus nach dem Gewinn der Champions League 2022. Mit Sonnenbrille und Zigarre. Den Carlo ist cool und weiß genau was er tut.
Er hat eben Stil und das nicht nur wegen seines Anzugs, den er zu jeder Begegnung trägt. Ancelotti steht sinnbildlich und repräsentativ für die italienische Art. Der Gegner wird nicht in Pressekonferenzen oder unangebrachten Statements eingeschüchtert, sondern schlichtergreifend durch Leistung auf dem Platz demoliert. Es ging Ihm um das Auftreten auf dem Feld, den Abseits konnte keiner Carlo Ancelotti etwas anhaben.
Insgesamt über 30 Titel holte er sich in seiner Trainerkarriere ab. Ohne die individuellen Auszeichnungen als bester Trainer des Jahres oder ähnliche Trophäen mit aufzuzählen. Der Mann hat Ahnung, vor allem vom Fußball.
Carlo Ancelottis Zeit in Europa scheint nun vorüber. Diesen Sommer wird seine mittlerweile zweite Amtszeit als Technischer Leiter der “Los Blancos” (Real Madrid) zu Ende gehen. Unter den Beiträgen der Medien, welche diese Nachricht aktuell teilen, häufen sich derweil die Meinungen, dass Carlo Ancelotti schon längst hätte aufhören sollen. Dass er zu alt sei und das moderne Spiel nicht mehr verstehe, oder das Real Madrid sogar jemand jüngeres bräuchte, der den typischen neuen Impuls mitbringen sollte. Klare Tendenz geht hier natürlich zum jungen Xavi aus Leverkusen.
Selbst Ancelottis Taktiken werden kritisiert. Die Spiele in der Champions League gelten hierbei als größter Antrieb für die Tiraden. Sowas mitzuverfolgen finde ich persönlich unfassbar bitter, auch wenn ich weiß, dass Ihn das gar kein bisschen interessieren dürfte. Er gehört unumstritten, zu den besten Trainern unserer Zeit und ist dabei auch noch einer der dekoriertesten überhaupt. Ich wollte eigentlich noch das schreiben, was José Mourinho immer predigte und ein wenig Respekt auf den Namen Ancelotti setzen, aber auch das brauche ich sicherlich nicht mehr zu tun.
Wie geht es für Don Carlo also weiter? Der denkt selbst mit seinen 65 Jahren noch nicht ans aufhören und wird nun sehr stark mit der brasilianischen Nationalmannschaft in Verbindung gebracht. Höchstwahrscheinlich aufgrund seines guten Verhältnisses zu seinen Schützlingen bei Real Madrid (Vinicius Junior, Rodrygo, Endrick und Eder Militao). Es wäre eine erste letzte Weltmeisterschaft als Cheftrainer für Carlo Ancelotti, die er 2026 noch einmal an der Seitenlinie begleiten und vielleicht sogar gewinnen dürfte?
Bis dahin ist allerdings noch mehr als genug Zeit und ob es Don Carlo mit den Brasilianern zu Nummer sechs, vor unserer Nummer fünf schafft, klingt für mich wie eine dieser absolut unrealistischen Wetten mit utopischen Quoten. Der Fußball schreibt aber schließlich die komischsten Geschichten und für Ancelotti wäre es ein Abschied auf aller größter Bühne.
Dabei hat er überhaupt keine Bühne nötig.
Eine Auflistung der Titel, die der 65 Jährige zusammengesammelt hat, darf im Anschluss natürlich nicht fehlen.
ALS SPIELER
2 Europapokale der landesmeister
2 weltpokalsiege
2 uefa cup siege
3 nationale meisterschaften
4 nationale pokalsiege
1 super cup sieg
ALS TRAINER
5 Champions League Titel
3 Klub Weltmeisterschaften
5 UEFA Super Cup Siege
6 NATionale meisterschaften
4 Nationale pokalsiege
6 supercup siege